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Der Hagener Impuls

Kunst und Kultur als Elemente der Stadtentwicklung

 

Was ist der 'Hagener Impuls'?

 

Der 1974 im Rückblick von Nic Tummers glücklich geprägte Begriff 'Hagener Impuls' bezeichnet den einzigen Abschnitt in der Geschichte der Stadt Hagen, in dem sie der Ort und Schauplatz für eine im internationalen Maßstab wichtige Entwicklung war: die Jahre zwischen 1900 und 1921, in denen der Hagener Karl Ernst Osthaus als Mäzen, Vermittler und Organisator seine Vision, "die Schönheit wieder zur herrschenden Macht im Leben" werden zu lassen, in Hagen beispielhaft zu realisieren versuchte.(1)

In diesen Jahren war Hagen europaweit eines der wichtigsten Zentren für die Reformbewegung vor dem Ersten Weltkrieg, die sich gegen die verkrusteten Strukturen des Wilhelminismus wendete. Äußeres Zeichen dieser Reformbewegung war der sogenannte Jugendstil, der aus der Arts & Crafts-Bewegung in England entstand und vor allem in Belgien und Frankreich weiterentwickelt wurde, bevor er über Henry van de Velde sich auch in Deutschland durchsetzen konnte. Hagen war einer der  ersten Orte in Deutschland mit Bauten im Jugendstil, aber typischerweise auch die Stadt, in der seine Weiterentwicklung in 'sachliche' Gestaltungsformen betrieben wurde, die dann später – nach dem ersten Weltkrieg - im Weimarer und Dessauer Bauhaus zur Blüte kamen.

Der besondere Charakter des Hagener Impuls' bestand im Vergleich zu ähnlichen Initiativen - Monte Verita bei Ascona (ab 1900), Künstlerkolonie Mathildenhöhe Darmstadt (1901), Siedlung Hellerau bei Dresden (1908), Bauhaus Weimar (1919), Bauhaus Dessau (1925), Weißenhofsiedlung Stuttgart (1927) - darin, daß er nicht als eine überschaubare Enklave geplant wurde, sondern sich Osthaus' Versuch der Umgestaltung des gesellschaftlichen Lebens durch Kunst auf die soziale Realität einer ganzen Industriestadt, seiner Heimatstadt Hagen, bezog.

Entsprechend sind die verschiedenen Zeugen für den 'Hagener Impuls' heute nicht nur über das ganze Stadtgebiet verteilt, sondern finden sich auch in sehr unterschiedlichen funktionalen Zusammenhängen. Es kommt hinzu, daß Osthaus' weitreichende Planungen aufgrund seines frühen Todes unvollendet blieben und vor allem ihr Herzstück, die auf Hagen-Emst geplante 'Stadtkrone', nicht realisiert werden konnte. 

Deshalb auch ist der 'Hagener Impuls' im Stadtgebiet heute nicht so sichtbar wie die oben genannten Ensembles.

Das Karl Ernst Osthaus-Museum bemüht sich im Rahmen seiner begrenzten Möglichkeiten seit einem Jahrzehnt, das Bewußtsein für die Bedeutung des Hagener Impuls zu wecken. In diesem Zusammenhang ist es gelungen

 

 - die Folkwang-Idee als Konzept für die Sammlungs- und Ausstellungspolitik des Museums mit Erfolg neu und zeitgenössisch zu interpretieren (seit 1988)

 - die Inneneinrichtung des Gebäudes des alten Museum Folkwang (gestaltet von Henry van de Velde) weitgehend zu rekonstruieren (1992)

 - den Hohenhof als einmaliges Zeugnis für ein im Originalzustand erhaltenes Gesamtkunstwerk zu bewahren, zu restaurieren und als ein Museum des Hagener Impuls nutzbar zu machen (ab 1984, in 2002 abgeschlossen)

 - die Geschichte des Hagener Impuls durch die Vervollständigung der Archive des Museums in Hagen zugänglich zu machen und sie systematisch zu publizieren (ab 1992)

 - das zweite große Museumsprojekt von Karl Ernst Osthaus, das Deutsche Museum für Kunst in Handel und Gewerbe, in einer großen Ausstellung (1998) wieder bekannt zu machen

 - mit dem Neuen Hagener Schaufensterwettbewerb (1999, 2000) eine frühe Initiative Osthaus erfolgreich neu zu interpretieren

 - die Voraussetzungen für eine zukunftsorientierte Begehung des 100jährigen Jubiläums der Folkwang-Idee (2002) zu schaffen (Ausstellung Museutopia©).

 - ein im Originalzustand erhaltenes Haus der Arbeitersiedlung Walddorf (mit Hilfe der Sparkasse Hagen) für den Zugang durch die Öffentlichkeit zu sichern (2001)

Aus Sicht des Karl Ernst Osthaus-Museums bedarf es nun einer breiten Initiative, auf diesen Grundlagen eine systematische Vermittlung des Hagener Impuls im nächsten Jahr (Jubiläum) zu verwirklichen.
 

Die wichtigsten Zeugen des Hagener Impuls sind:
 

Diese Ziele gilt es in geeigneter Form darzustellen, miteinander zu verbinden und für ein auch auswärtiges Publikum aufzuschließen und zugänglich zu machen.

STRATEGISCHE ZIELE

I. Für die Entwicklung des Karl Ernst Osthaus-Museums in Verbindung mit dem Emil Schumacher Museum und dem Hohenhof (Museum des Hagener Impulses) werden folgende generelle Ziele aufgestellt, die innerhalb der kommenden fünf Jahre in Angriff genommen und nach Maßgabe des Möglichen erreicht werden sollen:

1. Ausbau des Museumskomplexes an der Hochstraße zu einem Kristallisationspunkt städtischer Identität und zu einem überregional bedeutsamen kulturtouristischen Ziel

a) als 'Herz' des Hagener Impulses
b) als stadtprägendes, überregional bedeutsames Architekturensemble
c) als Ort international herausragender Kunstsammlungen mit bestehenden Schwerpunkten und dem Emil Schumacher-Museum
d) als weltoffener, der Förderung und dem Verständnis unterschiedlicher Kulturen gewidmeter Ausstellungs- und Veranstaltungsort

2. Ausbau des Hohenhofs als

a) als Museum des Hagener Impuls'
b) als Ankerpunkt des Hagener Impuls', von dem aus die anderen Architekturensembles erschlossen werden (Stirnband-Siedlung, Krematorium etc.)
c) Ankerpunkt der Route der Industriekultur und in dieser Funktion
d) als Scharnier zwischen der Route der Industriekultur und den entsprechenden Einrichtungen im märkischen bzw. südwestfälischen Raum (z. B. Märkische Straße der Industriekultur, Projekt Ruhrtal)

In diesem Zusammenhang Aufbau eines zentralen Besucherservice für Museen im Märkischen und Ennepe-Ruhr-Kreis in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Einrichtungen (Stärkung der oberzentralen Funktion der Stadt Hagen im kulturellen Bereich)

3. Ausbau des Karl Ernst Osthaus-Museums mit dem Museum des Hagener Impulses zu einem international orientierten, wissenschaftlichen Forschungs- und Ausbildungsinstitut mit den Schwerpunkten:

a) "Geschichte und Bedeutung des 'Hagener Impuls' und seiner Wirkungen"
b) "Museum der Museen" (Museologie und Museumsgeschichte, Künstlermuseen)
c) "Gender" (geschlechtsspezifische Kunst- und Museumsgeschichte)
d). "Kunst und Natur" (Landschaftsbauhütte Ruhrtal)

durch den Ausbau, die Pflege und Erschließung der museumseigenen Archive; den Aufbau der Forschungsstelle "Geschichte und Theorie des Museums" in Zusammenarbeit mit dem Kunsthistorischen Institut der Universität Bonn; die Organisation von Veranstaltungen (Symposien, Workshops etc.) und die Herausgabe einschlägiger Publikationen 

4. Weiterentwicklung des Neuen Hagener Schaufensterwettbewerbs zu einer nationalen Schaufenster-Messe im Zusammenhang mit der Errichtung eines Museums für visuelles Marketing 

5. Aufbau einer zentralen Verwaltungs- und Dokumentationstelle für die Hagener Baudenkmäler, Sehenswürdigkeiten und den Bereich 'Kunst im öffentlichen Raum' mit den Aufgaben:

a) Erfassung und Dokumentation aller einschlägigen Bauten, Denkmäler und künstlerischen Arbeiten sowie entsprechender Ensembles
b) Darstellung in geeigneten Publikationen
c) Entwicklung von Vorschlägen zu deren Erhalt, Pflege, Rekonstruktion etc. sowie gegebenenfalls deren Realisierung in Zusammenarbeit mit den zuständigen Ämtern und Institutionen
d) Entwicklung und Durchführung von kulturtouristischen Vermarktungsstrategien bezogen auf diesen Bereich


Stand 25.06.01


(1) Wenn der Name Karl Ernst Osthaus aufgerufen wird, kommt immer Zweierlei zur Sprache: Einerseits wird all' das aufgezählt, was der große Sohn der Stadt Hagen initiiert und geleistet hat, andererseits wird aber - nicht selten mit Schadenfreude - dargestellt, daß man in Hagen die Bedeutung seines Engagements nicht zur Zeit erkannte, den Verkauf des Museum Folkwang, des Deutschen Museums für Kunst in Handel und Gewerbe und anderer von ihm initiierter Einrichtungen hinnahm und deshalb seitdem nur die Ruinen seines großen Versuchs, die Gesellschaft durch künstlerische Arbeit zu reformieren, verwalten kann.
Die Geschichte um Osthaus, die Geschichte eines am Kleingeist seiner Umgebung gescheiterten und posthum zu Ruhm gekommenen großen Mäzens und Reformers, zählt mittlerweile, ähnlich, wie die am Leben von Vincent van Gogh entwickelte Geschichte vom zeitlebens verkannten Künstlergenie, zu den grundlegenden Mythen der Kunstgeschichte dieses Jahrhunderts.
Für die Hagener community hat Osthaus' Geschichte allerdings weniger den Charakter einer fernen Mythe denn den eines immer noch akuten, weil unbewältigten Traumas. Dieses Trauma entstand und entwickelte seine Dynamik aus der Übertragung des Erfolgs des Museum Folkwang auf die nicht verwirklichten Pläne Osthaus': Ausgehend davon, daß vor allem der frühe Tod von Osthaus deren Realisierung verhinderte, wurde und wird angenommen, daß diese eine ähnliche Wirkung wie das Museum Folkwang hätten entfalten können, hätte man in Hagen in der Billigung des Verkaufs der Museen einen Fehler erkannt und sich wenigstens dieses Bereichs der Osthaus'schen Aktivitäten angenommen. 
Es spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, daß hier eine Fiktion gegen die Realität ausgespielt wird. Denn im Kern der Osthaus'schen Geschichte geht es nicht um die Realität, sondern um die Bereitschaft, Visionen und Chancen ernst zu nehmen und in die Tat umzusetzen.
Das Karl Ernst Osthaus-Museum wird mit dem Osthaus'schen Trauma nicht nur identifiziert, sondern ist, allein schon durch die Namengebung, sein Sitz: Wenn es Hagener, die um die Osthaus'schen Geschichte wissen, betreten, stehen sie in einer offenen Wunde, gewissermaßen im Mahnmal für einen großen, kollektiv begangenen Fehler - in den letzten 25 Jahren zusätzlich symbolisiert durch die abgeschnittene und zubetonierte Freitreppe zum Eingang des alten Gebäudes. Die Tatsache, daß die Osthaus'schen Sammlungen nicht mehr vorhanden sind, wird jedoch nicht nur als Verlust und Schmach empfunden, sondern bietet zugleich die Möglichkeit, das alte Museum Folkwang zu idealisieren und gegen die (künstlerischen) Zumutungen der Gegenwart, also nicht selten auch gegen die aktuelle Sammlungs- und Ausstellungspolitik in Stellung zu bringen - wobei von entsprechenden Kritikern in der Regel ausgeblendet wird, daß das Museum Folkwang nicht als Ort gesicherter Werte, sondern aufgrund seines revolutionären Charakters Bedeutung erlangte. Gilt für die Hagener , kurz gesagt, das Original ist verloren, und was immer im Haus an der Hochstraße geschieht, kann seinen Verlust nicht ersetzen, so kann es nicht verwundern, daß viele Hagener das Museum ignorieren und nicht besuchen - wenn sie überhaupt wissen, daß die Stadt Hagen ein Museum für moderne und zeitgenössische Kunst unterhält. Dabei steht die Position des Karl Ernst Osthaus-Museums innerhalb der Stadt Hagen in krassem Gegensatz zu der Tatsache, daß das Haus im letzten Jahrzehnt durch seine Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit international bekannt geworden ist.
Der Bau des Schumacher-Museums kann hier eine entscheidende Wende bringen. Denn Emil Schumachers Ruhm als Hagener Künstler gründet nicht zuletzt auf einer Reflexion des Osthaus'schen Trauma: An ihm soll sich nach dem Willen der Hagener Osthaus' Geschichte nicht wiederholen. Deshalb ist der Neubau eines Museums für diesen Künstler auch als eine Art Wiedergutmachung mit Blick auf Osthaus' Geschichte zu verstehen - und findet eine so breite Akzeptanz.
Allerdings ist festzuhalten: Emil Schumacher hat sein Lebenswerk vollbringen können. Daher wird das Schumacher-Museum eine abgeschlossene Entwicklung präsentieren. Demgegenüber bleibt die mit dem Namen Osthaus verbundene Dynamik nicht nur erhalten, sondern wird, weil die Tragweite mancher seiner Ideen und Pläne erst jetzt erkennbar wird, noch zunehmen und an Bedeutung gewinnen.
Für die kommenden Jahre wird es also darauf ankommen, weiterhin an der Auflösung des Osthaus'schen Traumas zu arbeiten. Dazu kann jetzt auch der Bau des Schumacher-Museums als wichtiger Baustein und psychologische Entlastung genutzt werden. Dabei wird darauf zu achten sein, daß das Karl Ernst Osthaus-Museum und Schumacher-Museum zwar als zwei unterschiedlich profilierte und selbständig agierende, doch sich gleichermaßen dem großen Engagement der Stadt Hagen verdankende Institutionen, also in Gemeinschaft dargestellt und wahrgenommen werden.