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DEUTSCHES MUSEUM FÜR KUNST IN HANDEL UND GEWERBE

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Dokument aus dem Karl Ernst Osthaus-Archiv


KEO-Archiv A 10/29-32 (ms)

Brief Osthaus an den Geh. Regierungsrat Albert, Berlin, vom 16.01.1912


 

Sehr geehrter Herr Geheimrat!

Infolge einer mehrtägigen Abwesenheit erhielt ich erst heute Ihr sehr gefälliges Schreiben vom 5. Januar. Die Bereitwilligkeit des Auswärtigen Amtes, das Unternehmen des Deutschen Museums für Kunst in Handel und Gewerbe den Kaiserlichen Vertretungen in den Vereinigten Staaten anzumelden, war mir bereits mitgeteilt worden. Ich entnehme jedoch aus Ihrem Schreiben mit grosser Genugtuung, dass man darüber hinaus unserer Wanderausstellung im Reichsamte des Inneren weitgehendes Verständnis und Sympathie entgegenbringt. Ich durfte wohl ohnehin überzeugt sein, in Ihnen persönlich einen Freund des Unternehmens zu besitzen, da es, wenn auch im kleinen Rahmen, ganz im Geiste der deutschen Ausstellung in Brüssel gedacht ist. So geneigt mir daher zur besonderen Freude, Ihnen einige nähere Mitteilungen zugehenlassen zu dürfen.

1.) Das Deutsche Museum hat die Ausstellung auf Wunsch von sechs amerikanischen Museen (Newark, Chigago, Indianapolis, Pittsburg, Detroit, St. Louis) zusammengestellt und darüber mit dem Direktor der Bibliothek von Newark, Dana, verhandelt. Sie steht fast versandfertig im Museum Folkwang zu Hagen und wird um Mitte Februar in Amerika erwartet. Ueber die Dauer der Ausstellung in den einzelnen Städten ist bisher nichts besonderes festgelegt, es wird sich aber wohl um je einen Monat handeln. Die genaue Folge der Ausstellungen und die Termine der Eröffnung werde ich Ihnen mitteilen, sobald ich selbst darüber Nachricht in den Händen halte.

2.) Massgebend für den Entschluss der amerikanischen Museen war der Wunsch, die moderne Kunstbewegung in Deutschland näher kennen zu lernen, bzw. dem amerikanischen Publikum vertraut zu machen. Verkäufe aus der Ausstellung werden nicht stattfinden, doch hat sich das Deutsche Museum erboten, Bestellungen jeder Art und in jedem Umfang zu vermitteln.

3.) Die amerikanischen Museen bezahlen je 200 Dollar an das Deutsche Museum. Die Gruppen sind fast ausschliesslich aus den zu diesem Zwecke vermehrten Beständen des Deutschen Museums zusammengestellt. Zu Ihrer näheren Information gestatte ich mir, einen Bericht und Prospekt des Deutschen Museums beizulegen. Die zu diesem Zwecke neu gebildeten Gruppen (Keramik, Holz, Leder, Elfenbein usw.) werden nach Rückkunft der Ausstellung aus Amerika in weitere Wanderausstellungen umgewandelt werden.

4.) Die geschäftliche Ausnutzung des moralischen Eindrucks der Amerika-Ausstellung bleibt, soweit er sich nicht in direkten, durch die Museen vermittelten Bestellungen äußert, der Geschäftswelt selbst überlassen. Die Stellung der deutschen Industrie zu unserem Unternehmen ist eine verschiedenartige. Während einzelne Firmen ängstlich besorgt sind, die Ausstellung würde lediglich eine Ausnutzung ihrer Muster zur Folge haben, versprechen sich andere einen bedeutenden Nutzen. Zu den letzteren gehört u.a. die Delmenhorster Linoleum-Fabrik. Sie klagte sehr darüber, dass ihr geschäftlicher Vertreter in New York bisher die von ihr herausgebrachten vortrefflichen Muster stets zurückgewiesen habe mit der Begründung, dass sie dem amerikanischen Geschmacke nicht entsprächen. Die Firma hat nun Veranlassung genommen, ihren Vertreter darauf hinzuweisen, dass unsere Ausstellung ein beginnendes Interesse am neueren deutschen Kunstgewerbe dokumentiert und ihm zur Pflicht gemacht, den moralischen Eindruck des Unternehmens im geschäftlichen Nutzen umzusetzen.

5.) Das österreichische Museum für Kunst und Industrie ist vom Ministerium ermächtigt worden, 40 erlesene Objekte aus Staatsbesitz, zumeist Arbeiten der Wiener Werkstätte, der Ausstellung anzugliedern. An der Zusammenstellung der bayrischen Gruppe hat der Münchner Bund (Baron von Pechmann) beteiligt.

6.) Die Ausstellung umfasst folgende Hauptgruppen:

1. Architektur und Monumentalplastik etwa 60 grosse Photographien nach Schöpfungen von Behrens, Messel, Schumacher, Ludwig Hoffmann, Jos. Hoffmann, Endell, Pankok, van de Velde, Muthesius, Adolf Hildebrand usw.

2. Medaillen und Kleinplastik von Hildebrand, Hahn, Roemer, Dasio, Bosselt, Vierthaler, Gaul, Felderhoff usw.

3. Graphik etwa 100 Blatt von Menzel, Leibl, Liebermann, Stauffer-Bern, Geiger, Hofer, Weiss, Nolde usw.

4. Reklamekunst etwa 40 Plakate von Klinger, Bernhard, Hohlwein, Ehmcke usw. und 120 kleinere Drucksachen von allen einschlägigen deutschen Künstlern.

5. Buchgewerbe etwa 40 Bücher unserer besten deutschen Verlage, Proben moderner Künstlerschriften u. dergl.

6. Tapeten, Linoleum und Linkrusta je 30 bis 40 Muster von Behrens, Paul, Läuger, Hoffmann, Riemerschmid usw.

7.) Textilien etwa 30 bis 40 Stoffmuster sowie eine Anzahl von Stickereien, Kissen, Kleidchen, Beuteln, Batikshawls u. dergl.

8.) Keramik und Glas etwa 150 Gefässe und Figuren der Porzellan-Manufakturen von Berlin, Meissen, Nymphenburg, Schwarzburg, von Merkelbach, Gerz, Steingut von Wächtersbach und Vordamm.

 

Fayencen von Karlsruhe und Kandern usw. sämtlich nach Künstlern gruppiert.

Gläser von Behrens, Moser, Prutscher etc.; farbige Gläser von Poschinger, Kristalle der Josephinenhütte etc.

9.) Metallarbeiten etwa 100 Erzeugnisse in edlen und unedlen Metallen nach Entwürfen von Lettré, Lauweriks, Mayrhofer, van de Velde, Josef Hoffmann, Kolo Moser, C.O. Czeschka, Mörl-Krefeld, Georg von Mendelssohn, Ehrenböck usw. Schmuck von Lettré, Lauweriks, Nina Brühlmann, van de Velde, Mayrhofer etc.

10.) Holz, Leder und Elfenbein Holzdosen und Kassetten von Strecker, Ebner & Reicheneder, aus der Pankokschule usw., Elfenbein von Alwin Schreiber, van de Velde, Lederarbeiten der Wiener Werkstätte.

Der Gesamtwert der Ausstellungen dürfte sich auf 25-30000/- Mk. belaufen. Falls ich den letzten Absatz Ihres Briefes so auffassen darf, dass das Reichsamt des Inneren zur besseren Durchführung des Unternehmens für derartige Zwecke Mittel bereitzustellen geneigt ist, so möchte ich mir darauf hinzuweisen gestatten, dass das Deutsche Museum noch keineswegs auf gesicherter finanzieller Basis beruht und einstweilen meiner privaten Unterstützung bedarf. Die gesamte amerikanische Ausstellung ist zunächst von mir persönlich erworben und dem Museum zur Verfügung gestellt worden. Die einstweilen geringen Mitgliederbeiträge müssen im Verein mit den Leihgebühren, die das Museum für das Ausleihen von Ausstellungen (in diesem Winter über 60) erhebt, dazu dienen, die Betriebskosten sowohl, wie die allmähliche Vermehrung der Bestände decken. Es dürfte bei der sehr grossen Arbeit, die das Museum im Dienste der Entwicklung unserer Architektur und unseres Kunstgewerbes geleistet hat und dauernd leisten wird, wohl zu rechtfertigen sein, wenn ihm nicht nur für die Zwecke der amerikanischen Wanderausstellung, sondern dauernd Subsidien aus Staatsmitteln gewährt würden. Ich würde gern bereit sein, Sie zum Zwecke einer Unterredung über diesen Gegenstand Mitte des nächsten Monats in Berlin zu besuchen. Bis zu diesem Termin werden voraussichtlich auch die Satzungen des Museums, das kürzlich in einen e.V. umgewandelt worden ist, im Druck erschienen sein.

Mit vorzüglicher Hochachtung