Kunst im öffentlichen Raum in Hagen

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Texte:

Zur Einrichtung von Kunst im öffentlichen Raum

Allgemeine strukturelle Überlegungen zur Kunst im Stadtraum

 

Zur Geschichte der Kunst im Hagener Stadtraum

 

1. Kunst in Hagen

Hagen ist, was die Geschichte der modernen Kunst betrifft, keineswegs eine Provinzstadt, sondern war schon früh mit der Entwicklung der Moderne in der Kunst eng verbunden. Nicht nur im Hinblick auf die Zeit von 1900 bis 1920, in der Hagen eine bedeutende Rolle in der Geschichte der Kunst gespielt hat, was dazu führte, daß man vom "Hagener Impuls"(1) auf die Entwicklung der modernen Architektur sprach, sondern auch, was die Bestückung des öffentlichen Raums mit Kunst angeht, steht Hagen im Städtevergleich durchaus nicht an letzter Stelle.

Zu verdanken hat die Stadt dies in erster Linie sicherlich ihrem Kunstförderer Karl Ernst Osthaus, der von 1874 bis 1921 lebte. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, im Bereich der Kultur an der Verbesserung der menschlichen Lebensumstände mitzuwirken. Zur Verwirklichung seiner ästhetischen Ideen rief er namhafte Architekten und Künstler seiner Zeit nach Hagen.(2) Henry van de Velde vollendete 1902 das Folkwang Museum, baute 1907 den Wohnsitz für Osthaus, den Hohenhof, 1911 und 1916 die Villen für Rudolf und Theodor Springmann; Peter Behrens baute 1908 das Krematorium in Delstern, die Villa Schroeder 1909, die Villa Cuno 1910 und die Villa Goedecke 1912; Richard Riemerschmid errichtete 1910 am 'Wasserlosen Tal' eine Werksiedlung für Arbeiter der Hagener Textilindustrie; Johannes L. M. Lauweriks erbaute ab 1910 die 'Stirnband'-Häuser; Johan Thorn Prikker, Milly Steger, Christian Rohlfs, Emil Rudolf Weiss, George Minne, Aristide Maillol, Ferdinand Hodler, die Expressionisten Nolde, Kirchner, Heckel und viele andere Künstler stellten in oder für Hagen bedeutende Kunstwerke her. Viele davon sind nach dem Tod von Osthaus durch den Verkauf des Folkwang Museums nach Essen gegangen, eine weitere Schrumpfung des Hagener Kunstbestandes besorgten dann der nationalsozialistische Bildersturm und die Bombenangriffe des letzten Weltkrieges. Eine unsensible Baupolitik in den ersten Nachkriegsjahren besorgten ein weiteres; besonders durch den unverzeihlichen Abriß der alten Hagener Stadthalle gingen wertvolle Zeugnisse Hagener 'Kunst-am-Bau'-Objekte verloren. Nach dem Krieg ist für den öffentlichen Raum in Hagen zwar einiges im Rahmen der 'Kunst-am-Bau'-Verordnung angeschafft worden, aber leider nicht ein einziges Kunstwerk von international herausragender Bedeutung, wie beispielsweise Richard Serras 'Terminal' für Bochum, 'Die große Liegende' von Henry Moore für Recklinghausen, die 'Giant Pool Balls' von Claes Oldenburg für Münster, Friedrich Gräsels 'Röhrenlandschaft' für den Dortmunder Westfalenpark, Yves Kleins 'Schwammreliefs und Wandbilder' für das Musiktheater Gelsenkirchen oder Ossip Zadkines 'Großer Orpheus' für Marl. Hier ist also etwas versäumt worden.

2. Bis 1902

Die Kunstaktivitäten im öffentlichen Raum beschränken sich in der Zeit bis Anfang des 20. Jahrhunderts auf Denkmäler und Brunnen. Zwei heute noch erhaltene Kunstobjekte aus dieser Zeit sind das Kaiser-Friedrich-Denkmal von 1899 an der Eilperstraße und der Drei-Kaiser-Brunnen von 1902 auf dem Bodelschwinghplatz. Die beiden Objekte stammen von Emil Cauer, einem in Berlin tätigen Bildhauer, der von 1867 bis 1946 lebte. Emil Cauer, ein Sohn des Bildhauers Carl Cauer, ist bekannt geworden, als er 1888 mit seinem Bruder, dem Bildhauer Ludwig Cauer, den ersten Preis bei der Berliner Bismarck-Denkmal-Konkurrenz gewann.(3) Seine beiden Hagener Arbeiten müssen zu den wichtigsten Zeugnissen seiner künstlerischen Tätigkeit gerechnet werden. Stilgeschichtlich gehören die Werke Cauers zur Kunst, die an der Schwelle zur Moderne stehen blieb.

Der Platz, auf dem Emil Cauers Drei-Kaiser-Brunnen steht, wird in Hagen häufig als Beispiel einer gut erhaltenen Platzgestaltung mit Brunnen als Mittelpunkt angeführt. Der ehemals repräsentative Platz verliert jedoch durch die in der linken Ecke gelegenen Toilettenanlagen und durch die Parkplätze vor dem Brunnen erheblich an Wirkung.

Der Sockel stammt von einem älteren Kriegerdenkmal aus dem Jahre 1874, das der Würde der aufstrebenden Hagener Vorstadt nicht mehr entsprach. Er dient dem neuen Denkmal als Stütze für das Postament, auf dem ein glatter schwarzer Obelisk mit dem Wappen der Stadt Hagen und den Reliefbüsten der letzten drei deutschen Kaiser steht. Die beiden Figuren an der Vorderfront des Denkmals, die Industrie und Handel darstellen sollen, symbolisieren den wirtschaftlichen Aufschwung im Stadtteil Wehringhausen, der nach der Niederwerfung Frankreichs eingesetzt hatte.(4) An der Rückseite des Denkmals befand sich eine liegende weibliche Figur, die heute nicht mehr vorhanden ist.(5)

Drei Jahre vor der Fertigstellung des Drei-Kaiser-Brunnens erfolgte die Enthüllung des Kaiser-Friedrich-Denkmals.(6) Der Kaiser trägt eine Generalsuniform mit Helm und offenem Mantel; er stützt sich mit der Linken auf den Pallasch und hält in der Rechten einen Feldstecher. An das Postament aus grünem Granit sind seitlich zwei Becken angegliedert, in welche das Wasser aus Löwenköpfen sprudelt. An der Vorderfläche trägt das Postament die Inschrift: Friedrich III.

Selbständige Denkmäler für Friedrich III., dessen Regierungszeit nur 99 Tage dauerte, sind in Westfalen relativ selten zu finden. Meistens tritt er im Rahmen umfassender Denkmalprojekte auf, wie dem des Drei-Kaiser-Brunnens auf dem Bodelschwinghplatz, wo die Reliefbüsten Wilhelms I., Friedrichs III. und Wilhelms II. die dynastische Kontinuität des Hauses Hohenzollern darstellen.

Die zahlreichen Denkmäler für die drei letzten deutschen Kaiser, die "nicht so sehr deren persönlichen Verdiensten" galten, sondern "als Personifikation der Macht der endlich geeinigten Nation angesehen"(7) wurden, wurden häufig mit Hilfe des Bügertums errichtet, das seine liberal-demokratische Einstellung nach der Reichsgründung aufgab und sich zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Vormachtstellung mit der Monarchie verbündete. Das war auch in Hagen der Fall. Im Westfälischen Tageblatt vom 7. August 1899 wird darauf anläßlich der Enthüllungsfeier des Standbildes für Friedrich III. folgendermaßen hingewiesen: "Wo es gilt, die Liebe und Dankbarkeit den Hohenzollern zu erzeigen, da fehlen die Westfalen nicht. So halten sie es in guten und in bösen Tagen. Denn wahrlich, in gar vielen Fällen haben sie für diese Liebe Blut und Leben eingesetzt. Diese Hingebung hat die Feuerprobe überall bestanden und darum ist es nur zu berechtigt, daß diese Gefühle auch bei festlichen Anlässen zum lauten Ausdruck kommen. Und zur frohen, freudigen Stimmung war Grund genug vorhanden. Hat doch die Bügerschaft von Hagen ihren Plan, unseren unvergeßlichen Kaiser Friedrich III. ein würdiges Denkmal zu errichten, zum schönsten Gelingen geführt. Nicht die Schwierigkeit, daß erst ein Platz geschaffen werden mußte, auf dem das Standbild Kaiser Friedrichs Aufstellung finden sollte, noch die Aufbringung der übrigen erheblichen Kosten konnte sie zurückschrecken. Mit echt märkischer Zähigkeit wurde das einmal gesteckte Ziel verfolgt und dieses denn auch zur Freude aller in schönster Vollendung erreicht."

3. Von 1903 bis 1909

Nach der Eröffnung des Folkwang Museums am 19. Juli 1902 entwickelten sich in Hagen rege Aktivitäten zur Förderung der modernen Kunst. Aber nicht nur für den musealen Bereich oder die Architektur, auch für den öffentlichen Raum wurden vor allem durch Karl Ernst Osthaus wertvolle künstlerische Akzente gesetzt. Viele der realisierten Arbeiten sind heute leider nicht mehr vorhanden. Im folgenden möchte ich die wichtigsten Kunstereignisse im öffentlichen Raum aufzählen: 1903, 1904 und 1907 gestaltete George Minne Grabmäler auf dem Alten Friedhof, heute Buscheyfriedhof. Im Jahre 1904 wurden von Emil Rudolf Weiss Fenster für die Johanniskirche entworfen, die dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer fielen. In dem von Peter Behrens entworfenen Hagener Krematorium hat Weiss 1905 ein Mosaik geschaffen. 1908 entstand Hallers Relief am Eingang des Hohenhof. Beide Werke sind heute noch vorhanden. Im Außenbereich des Hohenhofs wurde ebenfalls 1908 eine Skulptur Maillols aufgestellt, die heute nicht mehr vorhanden ist.

4. Von 1910 bis 1919

In den Jahren 1910/11 holte Osthaus Milly Steger, die bei Karl Janssen in Düsseldorf und bei Georg Kolbe in Berlin Bildhauerei gelernt hatte, und Johan Thorn Prikker, der an der Akademie van Beeldende Kunsten in Den Haag ausgebildet worden war, nach Hagen.(8) Beide zogen in die eigens für diesen Zweck im Auftrag Osthaus' von Lauweriks erbauten Häuser am Stirnband. Milly Steger verließ Hagen wieder im Jahre 1918, Thorn Prikker blieb bis 1919. Die Jahre, die beide hier verbrachten, waren nicht nur fruchtbar für die beiden Künstler selbst, sondern vor allem auch für die Stadt Hagen. Obwohl vieles durch den letzten Krieg zerstört worden ist, sind einige wichtige Zeugnisse ihrer künstlerischen Tätigkeit in der Stadt Hagen erhalten geblieben. An erster Stelle zu nennen wären wohl von Thorn Prikker das Hagener Bahnhofsfenster und von Steger die Figuren am Theater der Stadt.

5. Arbeiten von Milly Steger im Hagener Stadtraum

Vom Bauamt der Stadt Hagen erhielt Milly Steger den Auftrag, Plastiken für die Fassade des städtischen Theaters auszuführen.(9) Die vier überlebensgroßen nackten weiblichen Figuren lösten bei der Enthüllung am 5. Oktober 1911 einen Skandal aus, in erster Linie wohl aus dem Grunde, weil sie von einer jungen Frau stammten und zudem auch noch nackt waren. Osthaus, der, wie er selbst bei seiner Rede zur Einweihung des Theaters erklärte, nicht unmittelbar an der Auftragsvergabe beteiligt gewesen war, entschloß sich dann, als die Vorwürfe gegen die angeblich "unsittlichen" Plastiken überhand nahmen, zur Verteidigung und Rechtfertigung der künstlerischen Arbeiten von Milly Steger bekannte Persönlichkeiten aus dem Kunstleben um ihr ästhetisches Urteil zu bitten.(10) Die zahlreichen, sich überwiegend lobend äußernden Antworten sind im Westfälischen Tageblatt vom 28. 10. und 2. 11. 1911 veröffentlicht worden. Bereits vor der Einweihung hatte sich der Architekt des Theaters, Prof. Dr. E. Vetterlein, in der Hagener Zeitung vom 20. 9. 1911 mit einem Artikel zum Streit geäußert, der geeignet war, den Vorwürfen entgegenzutreten. Denn er kam zu dem Ergebnis, daß die Eingliederung der Bildwerke in das Bauwerk sowohl architektonisch als auch künstlerisch völlig überzeugend gelungen wäre. Die Figuren würden nicht als Fremdkörper empfunden werden können, auch nicht als unsittlich, denn sie seien von allem naturalistischen Beiwerk befreit und hätten auch keine individualistischen Züge, so daß der Blick des Betrachters in die Ferne, zu höheren Idealen geleitet werden würde: "Wenn sie nun diesen höheren künstlerischen Zweck erfüllen sollen, müssen sie allen naturalistischen Beiwerks entkleidet sein. Jede naturgetreue Begleit- und Bekleidform würde den Körper, der künstlerisch als Stein wirken soll, zum Fleisch machen. Das ist die größte künstlerische Leistung, die hier der Künstlerin gelungen ist, jeden Gedanken an Lüsternheit ferngehalten zu haben. Diese Figuren wirken zunächst auf viele befremdlich, aber auf keinen anständigen, innerlich noch reinen Menschen, lüstern oder gemein. Und das hat die Künstlerin nur dadurch fertig gebracht, daß sie von allen individuellen Zügen Abstand genommen hat, daß die Gesichter merkwürdig fremdartig wirken, daß die Hände und der Schwung der Gewänder nicht dem lebenden Modell entnommen sind, sondern merkwürdig interessant erscheinen und den Blick des Betrachters nicht in die Erinnerung zurückleiten, wo die Boudoirerlebnisse aufbewahrt werden, sondern fort in die Ferne, in der wir von höheren Idealen beherrscht werden. Es sind 'Menschen' dort dargestellt, keine Theaterpuppen, keine Ballettmädchen Reinhardtscher Aufmachung, sondern Menschen, die ungescheut und ohne Koketterie, ohne Furcht ihren Leib zeigen dürfen, der edel und rein wie ihre Seele ist."(11)

1914 hat Osthaus Milly Steger zwei Figuren in Auftrag gegeben. Diese Figuren, die in Gips ausgeführt wurden, sollten die Nischen, die das Portal des Folkwang Museums flankieren, schmücken. Aufgrund des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges konnten sie aber nicht mehr in Bronze gegossen werden und gingen später verloren. Leider sind auch alle Arbeiten für die Stadthalle Hagen, die unter den Bomben des Zweiten Weltkrieges schwer beschädigt wurde, nach dem Krieg verlorengegangen. Es handelte sich um sechs Panther, die oberhalb der Eingangszone auf dem Dach links und rechts in zwei Dreier-Gruppen angeordnet waren. Nach Fotografien(12) aus den 50er Jahren zu urteilen, haben die Figuren den Bombenangriff im März 1945 mehr oder weniger unbeschädigt überstanden. Wo sie nach der endgültigen Sprengung der Stadthalle im Oktober 1954(13) geblieben sind, ist heute ein Rätsel, das vielleicht noch einmal gelöst werden wird.(14)

Durch Bomben ist auch die Figurengruppe der Theaterfassade beschädigt worden. Nach dem Krieg hat sie der Hagener Bildhauer Karel Niestrath in mühevoller Arbeit restauriert. Die Theaterfiguren sind heute das wichtigste Zeugnis der bildhauerischen Tätigkeit Milly Stegers in Hagen. Insgesamt sind von ihrer Hagener Zeit neben den vier Skulpturen am Stadttheater die Figur an ihrem von Lauweriks erbauten Haus am Stirnband, ein Teilstück des Frieses der alten Sparkasse, ein kleiner Kopf als Schlußstein des Mittelportals am Karl-Ernst-Osthaus-Museum, zwei Figuren über dem Hintereingang und die Steinkanzel in der Aula der Realschule in Altenhagen erhalten geblieben.

6. Arbeiten von Johan Thorn Prikker im Hagener Stadtraum

Wie die Theaterfiguren für Milly Steger das wichtigste heute noch erhaltene Zeugnis ihrer Hagener Zeit darstellen, ist das Bahnhofsfenster das wichtigste Erinnerungsstück der künstlerischen Tätigkeit Thorn Prikkers in Hagen. Thorn Prikker hatte durch die Vermittlung von Osthaus von der Reichsbahndirektion in Wuppertal-Elberfeld den Auftrag bekommen, das Glasfenster in der Eingangshalle des neuen Hagener Bahnhofsgebäudes zu gestalten. Um die ohnehin schleppende Entscheidung zur Beauftragung zu erleichtern, übernahm Osthaus selbst die Kosten für den Entwurfskarton(15) , den Thorn Prikker noch in Krefeld anfertigte.(16) Das 4 m hohe und 9 m breite Glasgemälde behandelt das von Osthaus angeregte Thema "Der Künstler als Lehrer für Handel und Gewerbe". Die Figur im Zentrum ist der Künstler. Er ist umgeben von etwas typisiert dargestellten Händlern und Handwerkern. Kompositorisch sind die Händler und Handwerker auf das Vorbild einer künstlerischen Figur bezogen, die offenbar neue kulturelle Impulse geben soll. Die lineare Verspieltheit des Jugendstils ist hier zwar noch nicht überwunden, aber die Bleirutenzeichnung läßt schon expressionistische Gestaltungsprinzipien erkennen. Über dem Haupteingang des Bahnhofs, der im Oktober 1910 dem Verkehr übergeben wurde, befindet es sich an einer Stelle, die die Reisenden nicht übersehen können. Dadurch ist es vorzüglich geeignet, viele Menschen mit den ästhetischen Erziehungsidealen von Karl Ernst Osthaus bekannt zu machen.
Die Ausführung des monumentalen Glasfensters übernahmen die Vereinigten Werkstätten für Mosaik und Glasmalerei in Berlin. Der Leiter dieser Firma, Gottfried Heinersdorff, zeigte eine große Fähigkeit bei der technischen Verwirklichung der ästhetischen Ideen Thorn Prikkers. Hieraus entwickelte sich eine langjährige Zusammenarbeit und Freundschaft mit dem Künstler.

Von Osthaus bekam Thorn Prikker nach seiner Übersiedlung nach Hagen noch mehrere Aufträge.(17) Leider sind von diesen Arbeiten die meisten zerstört worden. Von der großflächigen ornamentalen Umrahmung des Bühne des Kammermusiksaales der Hagener Stadthalle mit dem besonders gelungenen 'Musik und Tanz' betitelten Mittelteil konnte nur ein Teilstück, das das linke Drittel des ganzen Mosaiks darstellt, gerettet werden. Es ist heute in der Eingangshalle der neuen Stadthalle ausgestellt. Die in Hagen verbreitete Meinung, dieses Werk sei ein erhaltenes Teilstück des Originalmosaiks aus der zerstörten Stadthalle, ist nicht unumstritten. Nach einer genauen Untersuchung des Werkes und einer intensiven fachlichen Diskussion mit einigen Kennern der Hagener Kunstszene (Werner Gerber, Peter Stressig) bin ich zur Auffassung gekommen, daß das erwähnte Werk auch ein Probemosaik aus dem Jahre 1914 sein könnte, das in den Mosaikwerkstätten von August Wagner in Berlin nach einem Karton Thorn Prikkers hergestellt wurde. Probemosaike wurden häufig angefertigt, damit der Auftraggeber sich einen besseren Eindruck des geplanten Werkes verschaffen konnte. 

Thorn Prikkers Glasfenster im Bahnhofsgebäude hat den letzten Krieg unbeschädigt überstanden. Man kann es heute noch in der Eingangshalle besichtigen. Es ist das wichtigste Zeugnis der künstlerischen Tätigkeit Thorn Prikkers in Hagen.

7. Aktivitäten in den 20er, 30er und 40er Jahren

Nach dem Tode von Osthaus im Jahre 1921 war die große Zeit der Kunst im öffentlichen Raum der Stadt Hagen vorbei, dennoch sind in den folgenden Jahren einige Ankäufe durch die öffentliche Hand zu verzeichnen. Mitte der 20er Jahre wurde eine figurative Plastik für das Hagener Finanzamt erworben, die von Ernst Müller stammt, einem Künstler, der nach seiner Auswanderung nach England im Jahre 1940 den Namen Blensdorf angenommen hat. Weil die entsprechenden Unterlagen im Zweiten Weltkrieg verlorengegangen sind, war der Name des Künstlers in Hagen nicht bekannt. Erst nachdem die Westfalenpost im Februar 1980 ein Foto der Plastik veröffentlichte, meldete sich die erste Frau des Künstlers und konnte den Fall aufklären.

In den Jahren 1927 und 1928 wurden drei Frauenfiguren aus Sandstein von Karel Niestrath und vier ebenfalls aus Sandstein hergestellte Figuren von Hans Dorn, die Musikanten darstellen, für die Cuno-Siedlung in Hagen-Kuhlerkamp erworben. Der 1889 in Hamburg geborene Bildhauer Hans Dorn gehörte noch zu den Künstlern, die sich um Osthaus sammelten. Er kam im Jahre 1920 nach Hagen und übersiedelte 1939 nach Essen. Von seiner Frau Margret Dorn-Malin, die ebenfalls in den 20er und 30er Jahren in Hagen als Bildhauerin tätig war, wurde 1929 eine lebensgroße kniende Frauenfigur angekauft, die nach mehrfacher Umstellung auf der Grünfläche vor der Ricarda-Huch-Schule einen endgültigen Aufstellungsort gefunden hat.

In den 30er Jahren wurde von Hans Dorn ein in Sandstein ausgeführter lebensgroßer Schmied mit Sohn erworben, der sich ursprünglich neben dem Karl Ernst Osthaus-Museum befand und heute an der Brücke über der Ennepe steht, die zum Ernst-Meister-Gymnasium führt. Die beiden mit knielangen schweren Schürzen und klobigen Schuhen bekleideten Figuren können als charakteristische Vertreter eines für Hagen typischen Gewerbe- und Erwerbszweiges betrachtet werden und erzielen daher in der Bevölkerung einen großen Identifikationswert.

In den 40er Jahren wurde von Ivo Beuker, ein Schüler von Georg Kolbe, eine lebensgroße kniende weibliche Figur erworben, die heute im Lesegarten der Volmeanlage aufgestellt ist. Diese Frauenfigur entspricht der nationalsozialistischen Auffassung des menschlichen Körpers, derzufolge die Plastik in ihrer Körperlichkeit den Menschen der Tat darstellen sollte. Durch ihre entschlossene Haltung war Beukers Figur dazu geeignet, die nationalsozialistische Vorstellung von Heroik und Kraft zum Ausdruck zu bringen. Der genaue Zeitpunkt des Erwerbs der 1938 in Bronze hergestellten Plastik ist heute nicht mehr feststellbar.

8. Kunst an Schulneubauten der 50er und 60er Jahre

Hagen wurde unter den Bombenangriffen des Zweiten Weltkrieges schwer beschädigt, der Zerstörungsgrad der Innenstadt betrug fast 100 Prozent, im gesamten Stadtgebiet haben nicht einmal 30 Prozent aller Bauten die Bombardierungen unbeschädigt überstanden. Von allen Schulen in Hagen konnten nach dem Krieg nur noch 21 genutzt werden. Vor dem Krieg waren in Hagen 64 Schulgebäude vorhanden gewesen. Zwei Drittel aller Schulen sind demzufolge durch den Krieg zerstört worden. Der Wiederaufnahme des Unterrichts war in den ersten Nachkriegsjahren nur unter behelfsmäßigen Bedingungen möglich. Erst nach der Währungsreform konnte mit einem systematischen Neubau und Wiederaufbau der Schulen begonnen werden.(18) Viele von ihnen wurden mit Kunstwerken ausgestattet. Es wurde dabei in der Regel nach der Ein-Prozent-Bausummenklausel verfahren. Wenn ein Bauvorhaben von der öffentlichen Hand finanziert wurde, so sollte nach der sogenannten 'Kunst-am-Bau'-Verordnung, die Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre durch den Deutschen Städtetag, die Bundesregierung und das Land Nordrhein-Westfalen angeregt worden war, zumindest ein Prozent der Bausumme für 'Kunst am Bau' bereitgestellt werden. Diese Gelder konnten für die Ausschmückung der Innenräume durch Gemälde und Graphiken, für die künstlerische Gestaltung der Architektur durch Reliefs, Mosaike und Sgraffiti oder für die Aufstellung von Skulpturen im Außenbereich der Gebäude verwendet werden. Erworben und ausgeführt wurden für die Fichte-Oberschule 1951 ein Sgraffito von Hans Slavos, für die Cuno-Berufsschule eine Bronzeplastik von Kurt Schwippert, für die Turnhalle in Eckesey 1952 ein Fresko secco von Emil Schumacher, für den Volksschulneubau Selbecke 1953 ein Sgraffito ebenfalls von Schumacher, für die Ricarda-Huch-Schule 1954 erworben wurde von Renée Sintenis die 1930 entstandene Bronzeplastik "Daphne" und von Robert Pudlich wurde ein Sgraffito ausgeführt, für die Volksschule Haspe-Mitte 1956 ein Wandmosaik von Emil Schumacher, für die Cuno-Berufsschule 1957 eine Muschelkalkplastik von Heinrich Holthaus und ein Wandmosaik wiederum von Schumacher, für die Goldbergschule Schulstraße 1959 eine Bronzeplastik von Eva Niestrath-Berger, für die Volksschule Bergstraße 1960 eine Bronzeplastik von Heinrich Holthaus und ein Wandmosaik von Carl Baumann, schließlich für die Ingenieurschule 1963 Bronzeplastiken von Waldemar Wien und Siegfried Erdmann sowie ein Aluminiumrelief von Rolf Crummenauer.

In den 50er Jahren läßt sich eine deutliche Vorliebe für idyllische und unverfängliche Motive erkennen. Häufig finden sich Tierdarstellungen, spielende Kinder, Sportler oder Szenen aus dem ländlichen Leben. Ein beliebtes Relief- und Mosaikmotiv sind auffliegende Enten, Störche oder Kraniche. Die Darstellungen sind meistens gegenständlich und zugleich geringfügig abstrahiert.(19) 

Die Giebelflächen und Treppenhauswände der neuen Schulen eigneten sich vor allem für Drahtreliefs, Mosaike oder Sgraffiti. Vor den Eingängen, auf den Schulhöfen oder auf den Grünflächen wurden häufig plastische Arbeiten aufgestellt. Die Anzahl der plastischen Werke ist im Vergleich zu den Wandgestaltungen allerdings gering. Denn Bronze und Stein sind recht teuere Materialien, für die in den 50er Jahren in Hagen noch das Geld fehlte. Die plastischen Werke, die in den 50er Jahren im Rahmen von 'Kunst am Bau' angeschafft wurden, sind ausschließlich figurativ. Als Beispiele möchte ich die 1951 und 1957 auf dem Gelände der Cuno-Berufsschule aufgestellten figurativen Werke von Kurt Schwippert und Heinrich Holthaus nennen.

In den 60er Jahren setzt sich die abstrakte Plastik auch an Hagener Schulen durch. Als wichtigste Arbeit möchte ich hier ein aus Ettringer Tuff bestehendes 2,50 m hohes und 4,20 m breites Relief anführen, das Eva Niestrath-Berger 1962 im Auftrag der Stadt Hagen als Kunst am Bau für die Aula der neuen Hauptschule Remberg entworfen hat. Die Formensprache dieser Arbeit darf nicht im Sinne einer symbolischen Anspielung verstanden werden; sie hat überhaupt keine transzendente Ebene. Die künstlerische Auseinandersetzung mit dem zu gestaltenden Material ist hier aus geometrischen Formvorstellungen abgeleitet worden. Die rechteckige Gesamtfläche ist in verschieden große unregelmäßigen Flächen aufgeteilt, die durch ihre Hervorhebung oder Vertiefung voneinander unterschieden werden können. Durch diese in ihrer tiefenräumlichen Anordnung mehrfach abgestuften Flächen können je nach dem Einfallswinkel des Lichts harte oder weiche optische Wirkungsqualitäten erzeugt werden. Damit ist dem Betrachter ein breites, jedoch begrenztes Feld von Assoziationsmöglichkeiten gegeben, denn die formalen Vereinfachungen dieser Arbeit schließen jede Art von gegenständlicher oder symbolischer Inhaltlichkeit kategorisch aus.

Der Stein ist für Niestrath-Berger mehr als nur Rohmaterial für die Formung. Er steht mit der Form auf einer Ebene. Zwar verändert sich im Entstehungsprozeß der plastischen Arbeit auch bei Niestrath-Berger das Verhältnis von Material und Form, aber das Material tritt dabei nicht immer mehr zurück, wie in der Bildhauerei jener anderen in Hagen tätig gewesenen Künstlerin: ich meine Milly Steger, bei deren künstlerischer Arbeit das Material in dem Maße schwindet, als die Form oder die Idee hervortritt. Bei Niestrath-Berger hingegen ändert sich das Verhältnis von Material und Form im Verlauf der künstlerischen Bearbeitung im Sinne einer Aufeinanderabstimmung von Material und Form. In ihren Arbeiten erhebt sich die lautere Form schließlich nicht über den Stein, sondern versucht, auf seine Eigentümlichkeiten einzugehen, sie zum Inhalt der künstlerischen Auseinandersetzung werden zu lassen. Daher könnte man ihre künstlerische Arbeit als eine im besten Sinne 'autonome' bezeichnen. Das heißt aber nicht nur, daß ihre Werke aus sich selbst erklärt werden müssen, sondern auch, daß sie als relativ unabhängig von ihrem Aufstellungsort zu betrachten sind.

Hingegen gibt es in Hagen auch Kunstwerke, die durch das, was sie darstellen, an einen bestimmten Ort gebunden sind. Als Beispiele hierfür möchte ich die Bronzefiguren eines Warmwalzers von Engelbert Kaps und eines Kaltwalzers von Theo Akkermann nennen, die am südlichen und nördlichen Kopf der großen Lennebrücke im Stadtteil Hohenlimburg aufgestellt sind. Beide Figuren sollen die einheimische Industrie in Hohenlimburg symbolisieren, insofern wäre es unsinnig, sie in einem anderen Stadtteil aufzustellen. Es handelt sich bei den Werken, die in Bezug zu ihrem Standort stehen, meistens um figurative Arbeiten. Dagegen scheinen abstrakte Werke unabhängig von ihrem Aufstellplatz zu sein; sie scheinen keinerlei Bezüge mit ihrer Umgebung einzugehen und könnten daher auch ganz wo anders stehen. Das ist aber nicht immer der Fall. Sicherlich können auch abstrakte Werke inhaltliche oder symbolische Bezüge zu ihrer Umgebung, zu bestimmten Gebäuden oder auch zu anderen Kunstwerken herstellen. Diese Wirkung wird sicherlich durch Helmut Landers teils abstrakte und teils figurative Arbeit an der Außenwand des Fernmeldeamtes am Theaterplatz erreicht; sie stellt unübersehbar eine Beziehung zu den auf der anderen Seite des Platzes sich befindenden Figuren von Milly Steger her.

9. Glasmalerei nach dem Zweiten Weltkrieg

Zahlreiche Kirchen der im Zweiten Weltkrieg stark bombardierten Stadt waren völlig zerstört worden, kaum eine war unbeschädigt geblieben. Dabei waren in den meisten Fällen auch die Glasfenster den Bomben zum Opfer gefallen. Diese Situation führte in Hagen, aber auch in vielen anderen Städten der Bundesrepublik zu einem "historisch einmaligen Bedarf"(20) an Bautätigkeit im kirchlichen Bereich und damit auch an künstlerisch gestalteten Verglasungen. Nachdem die Währungsreform Ende der 40er Jahre eine Konsolidierung der Verhältnisse durchsetzte, konnte ein systematischer Wiederaufbau der zerstörten Kirchen oder ein Neubau von Kirchen eingeleitet werden. Die positive Auftragslage stand mit dem künstlerischen Angebot zunächst jedoch in einem krassen Mißverhältnis, denn die Entwicklung der Glasmalerei, die in den ersten beiden Jahrzehnten dieses Jahrhunderts vor allem durch die bahnbrechenden Arbeiten Johan Thorn Prikkers zu großen Hoffnungen Anlaß gegeben hatte, war durch die staatliche Lenkung der Kunst seit 1933 unterbrochen worden. Originäre und stilbildende Künstler hatten sich aus diesem Grunde selten ausbilden können. In Hagen war die Situation nicht ganz so schlecht. Nach dem Krieg ließ sich der gebürtige Hagener Carl Baumann, der Anfang der 30er Jahre bei Thorn Prikker an den Kölner Werkschulen studiert hatte und danach in Berlin Meisterschüler an der Berliner Kunstakademie gewesen war, in seiner Heimatstadt als freier Maler und Bildhauer nieder. Auch Karl Hellwig, den die Beschäftigung mit dem Werk Thorn Prikkers zur Glasmalerei geführt hatte, war besonders geeignet, Aufträge für künstlerisch gestaltete Verglasung auszuführen. Weiterhin standen Hans Slavos und Paul Gerhardt für Aufträge zur Verfügung.

Karl Hellwig fand in der ersten Nachkriegsjahren beim Wiederaufbau der Kirchen ein reiches Arbeitsgebiet. Bereits 1945 erhielt er einen Auftrag für drei Fenster der Christuskirche in Eilpe. Durch den damaligen städtischen Baurat Oberste-Berghaus bekam er 1950 den Auftrag, für die ehemalige Städtische Bau- und Ingenieurschule im Zentrum der Stadt die acht Aula-Fenster herzustellen. Für die wiederaufgebaute Pauluskirche in Wehringhausen konnte er 1954 die Fensterverglasung und die malerische Gestaltung der Emporenbrüstung ausführen. Im Zentralraum der Kirche entstehen drei ornamentale Fenster in verschiedenen Grautönen. Dazwischen befinden sich Fenster, die auf grauem Grund verschiedene Szenen aus dem Leben des Apostels Paulus in goldgelben und dunkel violetten Farben zeigen. An der Emporenbrüstung sind 15 Szenen aus der Passionsgeschichte auf Kreidegrund in Wachsfarben-Malerei dargestellt. Und für die Taufkapelle werden drei Fenster hergestellt, die verschiedene Szenen aus dem Neuen Testament zeigen.(21)

10. Weitere Kunst an Neubauten bis 1964

Neben den Kirchen und Schulen entstanden in den 50er und 60er Jahren mehrere öffentliche und private Gebäude, die mit Kunstwerken ausgestattet wurden. An der Stirnwand des Parkhauses im Stadtgarten hat Emil Schumacher 1955 ein Mosaik geschaffen. Für das Hallenbad Boele ist von Carl Baumann 1957 ein Wandmosaik ausgeführt worden. Und am städtischen Jugendheim im Buscheypark wurde 1958 eine Bronzeplastik von Heinrich Holthaus aufgestellt.

Auf vielen Friedhöfen wurden in den 50er und 60er Jahren Friedhofskapellen neu gebaut. Häufig sind sie mit Wandbildern geschmückt worden. Im Jahre 1951 hat Carl Baumann für das Krematorium in Delstern ein Mosaik und für die Friedhofskapelle in Altenhagen ein Wandbild hergestellt.

Die Gestaltungen privater Gebäude zeichnen sich in den 50er Jahren häufig durch Darstellungen von Tieren oder von Szenen aus dem ländlichen Leben aus. Ausgeführt wurden sie in der sogenannten Kratzmalerei, der alten Sgraffito-Technik, bei der Figuren aus verschiedenen, übereinander aufgetragenen Putzschichten herausgekratzt werden. Beispiele finden sich von Siegfried Erdmann an einem Privathaus in der Loxbaumstraße oder von Carl Baumann an dem Gebäude Ecke Mittelstraße und Mariengasse.

Zusammen mit den Werken von Hans Slavos und Paul Gerhardt gehören die Werke Carl Baumanns zu den am häufigsten vertretenen im Hagener Stadtraum. Carl Baumann ist neben seiner Malerei besonders durch seine Sgraffito- und Mosaik-Technik hervorgetreten. Beispielhaft für seine künstlerische Arbeit ist ein heute nicht mehr vorhandenes Sgraffito, das die Giebelwand des Gasthauses Plessen an der Hasper Talsperre schmückte. Dieses Wandbild, das im Auftrag der Hagener Stadtwerke ausgeführt und im Oktober 1951 fertiggestellt wurde, sollte "den Rhythmus von Arbeit und Freude" symbolisieren. Dargestellt war eine ländliche Szene: ein Schmied mit Hammer und Amboß, eine Bäuerin mit einem Ährenbündel, ein Junge mit Gitarre und ein Mädchen mit einem Blütenband. "Die von stilisierten Tannen, Sonnenblumen, Eichhörnchen und Pilzen aufgelockerte Gruppe wird von einer bäuerlichen Familie gekrönt, von der die stille Kraft des Feierabends ausströmt. Die aus verschiedenen Putzschichten herausgeholten Umrisse des Wandbildes leuchten in satten schwarzen und braunen Erdfarben und geben dem glatten Giebel", wie ein Artikel der Westfalenpost aus dem Jahre 1951 sich ausdrückt, "Anmut und Leben."(22)

Motiv und Art der Darstellung sind typisch für die Wandmalerei der 50er Jahre, die eine temporär und thematisch begrenzte Erscheinung in der Kunst des 20. Jahrhunderts ist. Zu ihren Themen gehören Familie, Arbeitswelt, Landschaft und Tiere; sie vermitteln Idylle, Geborgenheit, Heimatverbundenheit und Heiterkeit. Diese für die 50er Jahre originäre Wandmalerei, die im Spannungsfeld zwischen Dekoration und Kunst steht und heute in immer weniger Exemplaren erhalten ist, kann auf ihre Weise "seismographisch den Geist der Gründerjahre unserer Republik"(23) zum Ausdruck bringen.

11. Der Rathausneubau von 1964

Das alte, um die Jahrhundertwende erbaute Rathaus war im letzten Krieg schwer beschädigt worden, die Vorderfront war jedoch ohne größere Schäden geblieben, so daß ein Wiederaufbau hätte erfolgen können. Ende der 50er Jahre hat man sich in Hagen aber dazu entschieden, ein neues Rathaus zu bauen. Der ganze Giebeltrakt des alten Rathauses mußte dafür abgerissen werden. Solche Radikal-Lösungen, über die sich damals anscheinend kaum einer aufgeregt hat, würden heute allerdings nicht mehr so ohne weiteres durchgehen. Diesbezüglich hat sich das öffentliche Bewußtsein doch enorm gewandelt.

Hinsichtlich der 'Kunst-am-Bau'-Aktivitäten in Hagen wäre der Rathausneubau sicherlich an erster Stelle anzuführen. Insgesamt sind für Entwurf und Ausführung ungefähr einhundert Vergaben zu verzeichnen. Weil es den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen würde, sie alle aufzuzählen, beschränke ich mich darauf, die wichtigsten zu nennen: von Emil Schumacher das monumentale und expressive Werk "documenta II" neben der Haupttreppe, von Heinrich Holthaus das Bronzerelief "Die zerstörte Stadt" über dem linken Eingang des Ratssaales, von Karel Niestrath die Büste des Reichspräsidenten Ebert in der Bürgerhalle, von Carl Baumann ein monumentales Wandmosaik gegenüber der Stadtkasse, von Eberhard Viegener sieben Porträts der Stadt Hagen im Foyer des ersten Obergeschosses, von Erwin Hegemann eine Porträtserie der Bürgermeister und Oberbürgermeister im Ratsfoyer, von Eva Niestrath-Berger eine abstrakte Freiplastik im großen Lichthof und von Roswitha Lüder-Vombek ein Triptychon im Trauzimmer.

Einer der engagiertesten Förderer von Kunst im öffentlichen Raum der Stadt Hagen in den 60er und 70er Jahren war Herbert Böhme, der von 1951 bis 1958 Leiter des Hochbauamtes war und von 1960 bis 1979 als Stadtbaurat und Baudezernent die Bauverwaltung der Stadt leitete. Auf seine Initiative gehen nicht nur die Erwerbungen für das neue Rathaus zurück, sondern auch zahlreiche Installationen von Skulpturen im öffentlichen Raum. Weiter Personen, die sich für Kunst im Stadtraum engagiert haben, sind der städtischen Baurat Oberste-Berghaus und dessen Nachfolger Oberbaurat Stoll. Beide bemühten sich in den 50er Jahren insbesondere um Karl Hellwig, aber auch Hans Slavos, Heinrich Holthaus und Emil Schumacher wurden durch sie gefördert.

12. Aktivitäten in den 70er Jahren

1969 waren vom Bau- und Planungsausschuß der Stadt Hagen vier Aufträge für künstlerische Arbeiten an Hagener Künstler ergangen(24) , die alle 1970 fertiggestellt wurden.

Das Hallenbad Stadtmitte erhielt von Carl Baumann ein Längsrelief, das aus vielen verschieden großen Edelstahlplatten besteht. Vor dem Hallenbad wurde von Heinrich Holthaus eine in Bronze ausgeführte Woge auf einen Betonsockel gestellt, der ungefähr einen Meter hoch ist. Für die Eingangshalle des Chemischen Untersuchungsamtes hat Klaus Herleb ein Relief aus Kunststoffmaterial geschaffen. Und für die Grundschule Hestert wurde von Erwin Hegemann auf einer zum Pausenhof gewendeten Außenwand eine Edelstahlarbeit, die mit farbigem Glasbruch verziert ist, angebracht.

Einige weitere Arbeiten, die in den 70er Jahren entstanden sind: eine Spielplastik von Fritz Bernuth für die Grundschule Boloh (1975), ebenfalls eine Spielplastik von Friedrich Gräsel für die Grundschule Westerbauer (1975), eine Freiplastik von Klaus Herleb für die Hauptschule Boelerheide (1973), eine Edelstahlplastik von Carlernst Kürten für das Schulzentrum Eilpe (1978), sechs Arbeiten von Eva Niestrath-Berger, von Karl-Ludwig Schmaltz zwei Arbeiten, von Rudolf Vombek vier und von Waldemar Wien zwei Arbeiten.

13. Neubau der Stadthalle Anfang der 80er Jahre

Die Verschönerung der 1981 fertiggestellten neuen Stadthalle durch Kunst am Bau wurde gleich von mehreren Skandalen begleitet. Zum einen war geplant, für 95.000 DM ein großformatiges Gemälde von dem in Hagen lebenden Künstler Emil Schumacher anzukaufen, zum anderen sollte der Braunschweiger Bildhauer Jürgen Weber eine Brunnenanlage ausführen. Der an sich beschlossene Ankauf des Schumacher-Bildes wurde jedoch in einer Sitzung der Stadthallenbaukommission, in der mehr als die Hälfte der Kommissionsmitglieder fehlten, durch die Stimmen der SPD-Fraktion verhindert.(25) Daraufhin versuchte die CDU-Fraktion, deren Vertreter an der Sitzung nicht teilgenommen hatten, den Beschluß rückgängig zu machen und sich für den Ankauf des Schumacher-Bildes einzusetzen.(26) Aber der Künstler, den die öffentlichen Querelen über den Ankauf seines Bildes zutiefst verärgert hatten, lehnte den Verkauf des Bildes nun strikt ab.(27) Auch der Ältestenrat der Stadt konnte ihn nicht mehr umstimmen.(28)

Für die Ausschmückung der neuen Stadthalle mußten sich die Hagener Ratsherren nun mit dem anderen Künstler begnügen. Schon 1979 war Jürgen Weber mit den Vorentwürfen beauftragt worden, im März 1981 wurde mit ihm ein Vertrag abgeschlossen. Nach seinen Entwürfen sollte eine 4,60 m hohe Bronzeplastik in einer künstlerisch gestalteten Brunnen- und Felsenlandschaft ausgeführt werden. Für Entwurf und Ausführung seines Werkes erhielt der Künstler 250.000 DM. Weitere 150.000 DM mußte die Stadt für Material- und Leistungskosten aufwenden. Insgesamt ist das die höchste Summe, die in Hagen bisher für Kunst am Bau ausgegeben worden ist. In einem polemischen Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wurde aus dieser Summe ein "problemlos die Millionenhürde" übersteigender Betrag gemacht: Die Stadt Hagen sei nicht bereit gewesen, für ein Ölgemälde von Emil Schumacher 95.000 DM auszugeben, dagegen würde "das Projekt eines Wetterhexen-Brunnens aus der Werkstatt des Braunschweiger Bildhauers Jürgen Weber, des streitbaren Geistes der Ringer, der verquollenen Sauna-Helden und der Schwangeren, problemlos die Millionenhürde"(29) passieren. Verärgert über diese Falschmeldung und die "üblichen Beleidigungen" (Weber) versuchte der Künstler, die FAZ aufzufordern, eine Gegendarstellung zu veröffentlichen. Doch die FAZ lehnte die Veröffentlichung ab. Auch vor einem Frankfurter Gericht konnte Weber die Veröffentlichung seiner Gegendarstellung nicht durchsetzen.

Bei der Einweihung des Brunnens kam es abermals zu einem Skandal. In einem unveröffentlichten Manuskript berichtet Jürgen Weber, wie es dazu kam: "Anfang 1984 konnte die Skulptur auf dem Felsenwall montiert und das Wasserspiel angestellt werden. Das sollte auf Wunsch der Stadt ausgerechnet am 31. Januar, mitten im tiefsten Winter geschehen. ... In Mänteln gehüllt standen viele Menschen um den Brunnen, das Wasserspiel wurde aufgedreht und der Oberbürgermeister hielt eine begeisterte Rede. ... Viele Hagener Bürger waren anwesend, die Fraktionen standen dicht gedrängt in Mänteln um den Brunnen und auf den Terrassen der Stadthalle, in der ein großes kaltes Buffet auf die Gäste wartete, als ich mich am Ende meiner Rede über die Frankfurter Justiz auszulassen begann. Ich berichtete von dem verlogenen Artikel in der FAZ und den unglaublichen Urteilen der Frankfurter Richter. Ich machte aus meinem Herzen keine Mördergrube, sagte, was ich über die Richter und ihre Abhängigkeit von der FAZ dachte und so war der Eklat auch schon da. Ein der CDU angehöriger Richter stürzte sich auf mich, schrie mich an, daß er sich beleidigt fühlte und ging tätlich gegen mich vor. Da ich unmittelbar mit dem Rücken vor dem Brunnenbecken stand, wäre ich um ein Haar bei dieser Rangelei in das Wasser gefallen."(30)

14. Sonstige Aktivitäten in den 80er Jahren

Nach 1980 sind nur noch wenige Kunstwerke im Zusammenhang mit städtischen Baumaßnahmen erworben worden. 1980 haben im Auftrag des Hochbauamtes Uwe Nickel ein Wandbild für die Turnhalle der Grundschule Geweke und Anselm Treese für das Schulzentrum Wehringhausen eine Brunnenplastik aus Stein angefertigt. 1982 schuf Erwin Hegemann für das Albrecht-Dürer-Gymnasium eine Brunnenanlage aus Basalt. 1983 wurden von Adolf Luther für das Gymnasium Hohenlimburg eine Lichtharfe aus Acrylglas, von Utz Brocksieper für das Schulzentrum Boelerheide eine Stahlplastik und von Rainer Tappeser für das Ernst-Meister-Gymnasium elf farbige Stelen aus Stahl ausgeführt. 1984 ist von Jürgen Weber der oben besprochene große Felsenbrunnen mit Windsbräuten aus Bronze geschaffen worden. Und 1990 wurden von Eva Niestrath-Berger drei bereits in den 60er Jahren entstandene Reliefarbeiten aus Bronze und Stein für die Freiherr-vom-Stein-Schule angekauft.

Weiterhin sind im Zusammenhang mit Baumaßnahmen der Staatshochbauämter Köln und Dortmund in den Jahren 1980, 1981 und 1982 insgesamt vier Aufträge vergeben worden: an Peter Lacroix, der für das Treppenhaus des Gebietsrechenzentrums eine Wandgestaltung mit Beleuchtung ausführte, an Adolf Luther, der Spiegelelemente in der Eingangshalle des neuen Verfügungsbaus der Fernuniversität anbrachte, an Ernst Rasche, der eine Marmorplastik für den Innenhof des Polizeipräsidiums schuf, und an Ladis Schwartz, der im Zufahrtsbereich des Polizeipräsidiums eine Bronzeplastik aufstellte. 

Für die Ausführung von Kunst an Landesbauten gilt Abschnitt K 7 "Aufträge an bildende Künstler" der Richtlinien für die Durchführung von Bauaufgaben des Landes im Zuständigkeitsbereich der Staatlichen Bauverwaltung Nordrhein-Westfalen (RLBau NW) in der Druckfassung von Januar 1980. Danach können, "soweit Art und Zweck sowie Bedeutung der Baumaßnahme dieses rechtfertigen", in Abhängigkeit zur Höhe der Baukosten von 2 Prozent (bis zu 1 Millionen DM) bis 0,4 Prozent (bei über 50 Millionen DM) für Kunstwerke in und an den Bauwerken oder in den Außenanlagen ausgegeben werden. In diesen nach Prozenten ermittelten Summen müssen die "Kosten des Künstlerwettbewerbs, das Honorar für den Entwurf, die Herstellungskosten des Kunstwerks bzw. die Kosten für zusätzliche handwerkliche oder industrielle Leistungen Dritter sowie die Montage" des Kunstwerks enthalten sein. Die Vergabe der Aufträge erfolgt "in der Regel" nach einem vorangegangenen beschränkten Wettbewerb, an dem sich drei bis fünf Künstler beteiligen können. Der Gutachterausschuß setzt sich aus je einem Vertreter des Bauamtes, der technischen Aufsichtsbehörde in der Mittelinstanz, der obersten technischen Instanz, der obersten Landesbehörde, der Landesmittel- oder Landesoberbehörde, der nutzenden Verwaltung und aus einem namhaften Kunstsachverständigen zusammen. Die politische Überbesetzung ist hier deutlich sichtbar. Nicht selten ergibt sich aus solchen Auftragsvergaben, daß der Sachverstand der Entscheidungsgremien ein Etikettenschwindel gewesen ist. Der Auswahl lagen meistens zwei Gesichtspunkte zugrunde: Die Werke wurden entsprechend ihrer Verträglichkeit mit der Architektur ausgewählt, und die Auswahl der Künstler gehorchte dem sozialen Aspekt der Künstlerförderung. Qualitätsfragen wurden sekundär behandelt. Das Kunstwerk wurde nicht als eigenständiges Gebilde, das einen spezifischen Ort und eine vorsichtige Einbindung in das städtebauliche Erscheinungsbild verlangt, angesehen, sondern als schmückendes Beiwerk der schmucklos funktionalen Architektur.

15. Projekt einer Brunnenplastik im Volkspark

Im Jahre 1991 hat die Hagener Sparkasse 300.000 DM für eine Brunnenplastik in den Grünanlagen des Volksparks gespendet. Der Direktor des Karl-Ernst-Osthaus-Museums, Dr. Michael Fehr, wurde gebeten, für einen Wettbewerb vier Künstler vorzuschlagen. Eine sechsköpfige Jury sollte dann einen der Wettbewerbsbeiträge auswählen. Allerdings ist das Projekt vorläufig gescheitert, denn die Sparkasse zog ihre Spende angeblich aufgrund von Vorgaben seitens der Stadtverwaltung, die vom Sparkassenverwaltungsrat als unzumutbar empfunden worden waren, zurück.(31)

Für das Scheitern des Projekts sind aber wohl beide Seiten verantwortlich zu machen, denn als Grund für das Scheitern steht an erster Stelle sicherlich die ungenügende Abstimmung zwischen der Sparkasse und der Stadtverwaltung über die Frage, unter wessen Leitung der Wettbewerb eigentlich durchgeführt werden sollte. Auf Beschluß des Stadtrates vom 16. Januar 1992 wurde der zuständige Ausschuß für Bauwesen damit beauftragt, zu erörtern, wie die geplante Brunnenanlage auch ohne Sparkassenbeteiligung verwirklicht werden könnte. Allerdings ist das Interesse in der politischen Landschaft der Stadt Hagen, das Thema erneut aufzugreifen, nicht sehr groß, obwohl sich die Bezirksvertretung Mitte in ihrer Sitzung vom 18. Februar 1992 weiterhin für den Brunnen ausgesprochen hat.

16. Ausblick auf ein neues Modell für Kunst im Stadtraum

Das Brunnenprojekt ist gescheitert, weil es in Hagen keine geregelten Wettbewerbs- und Vergabeverfahren gibt. Ungeregelte und deshalb zweifelhafte Wettbewerbs- und Vergabeverfahren stellen ein Hauptproblem im Bereich 'Kunst im Stadtraum' dar. Ich möchte daher für die Zukunft folgendes Modell empfehlen.

Die Struktur der Kunst im Stadtraum läßt sich in der Form eines gleichseitigen Dreiecks darstellen, an dessen Spitzen der Künstler, der Betrachter und der Auftraggeber stehen. Kunst im Stadtraum ist vom Künstler für die Stadtbewohner gemachte Kunst. Doch es bedarf noch einer weiteren, in der Regel öffentlichen Person, durch die die Stadtbewohner mit der Kunst zusammengebracht werden: das ist der Auftraggeber. Er entscheidet letztlich, welche künstlerischen Objekte und Aktionen das Erscheinungsbild der Stadt beherrschen. Sein Beitrag in diesem Geschehen ist also von hervorragender Bedeutung, und es ist daher wichtig zu erkennen, wer der Auftraggeber ist, der darüber entscheidet, welche Künstler beauftragt und welche künstlerischen Projekte realisiert werden. Seine Funktion ist sicherlich nicht von den anderen politischen Funktionen einer Stadt zu trennen. Insofern ist er selbstverständlich in einem Zusammenhang mit denen zu betrachten, die jeweils in der Stadt regieren und sie verwalten. Kulturpolitik ist daher auch Parteipolitik; sie darf sich darauf aber nicht reduzieren lassen. Deswegen muß gefragt werden, ob es Verfahren, Künstler und Kunstwerke auszuwählen, gibt, die den jeweiligen parteipolitischen Interessen übergeordnet werden können.

Die städtischen Aufträge stehen nicht selten in einer Verbindung mit Maßnahmen der örtlichen oder regionalen Künstlerförderung. Am Beispiel des in den sechziger Jahren erbauten Rathausneubaus in Hagen läßt sich das sehr gut zeigen. Im Rahmen der 'Kunst-am-Bau'-Verordnung wurden hier fast ausschließlich Künstler aus Hagen oder dem Raum Hagen beauftragt, Werke zur Verschönerung des Rathauses herzustellen. Diese Politik ist auch in vielen anderen Städten praktiziert worden und ging nicht selten zuungunsten der Qualität aus.(32) Es wäre daher für die Zukunft zu überlegen, ob die Künstlerförderung nicht auf anderen Wegen sinnvoller und effektiver praktiziert werden könnte als dem durch Aufträge im Rahmen der 'Kunst-am-Bau'-Verordnung.

Eine Möglichkeit bestünde in dem Modell, die Künstlerförderung nicht mehr durch die 'Auftragsvergabe', sondern durch die 'honorierte Beteiligung' an Wettbewerben zu praktizieren. Die Trennung der Künstlerförderung von der Auftragsvergabe hätte eine Anhebung der künstlerischen Qualtität im öffentlichen Raum zur Folge. Wettbewerbe würden dann eine doppelte Aufgabe übernehmen: zum einen die Förderung junger und mittelloser Künstler, zum anderen die Auswahl der besten Werke.

Werke von hohem künstlerischen Rang könnten über öffentliche Wettbewerbe erworben werden, ohne die Künstlerförderung zu behindern. Dazu sollten die anfallenden 'Kunst-am-Bau'-Mittel nicht sofort ausgegeben, sondern zusammen mit Geldern aus verschiedenen anderen Quellen in einer neu einzurichtenden Haushaltsstelle gesammelt werden, die von einer Kunstkommission verwaltet und gezielt ausgeschöpft werden könnte. Dabei wäre vom "alten Denkansatz" - "möglichst viel Geld für das Resultat und möglichst wenig für seine Entwicklung" - Abschied zu nehmen: "Die Kosten von Wettbewerb und Ausführung können sich ruhig im Verhältnis 1 : 1 bewegen, denn die Qualtitätssicherung ist für alle Beteiligten wichtiger als die Quantität."(33)

Das hier vorgeschlagene neue Verfahrens- und Entscheidungsmodell, das sich am 'Bremer Modell' orientiert, erfordert, die Zuständigkeit für 'Kunst am Bau' und 'Kunst im öffentlichen Raum', die bis heute in den Händen der Hagener Bauverwaltung liegt, an die Kulturverwaltung abzugeben.(34) Diese Verlagerung der Zuständigkeit ergibt sich aus dem allgemein zu beobachtenden Desinteresse der Bauverwaltungen für 'Kunst am Bau'. Darüberhinaus soll durch die Verlagerung der Zuständigkeit eine Abkehr von der strengen Baugebundenheit der 'Kunst am Bau' erreicht werden. 'Kunst am Bau' müßte durch 'Kunst im öffentlichen Raum' ergänzt werden. Schließlich ist öffentlich aufgestellte Kunst als Teil einer kultur- und kunstpolitischen Gesamtkonzeption zu betrachten. Aus diesen Gründen leuchtet es ein, wenn ich hier fordere, die Zuständigkeit für 'Kunst am Bau' und für 'Kunst im öffentlichen Raum' der Kulturverwaltung zu übergeben. Die Kulturverwaltung hätte eine Kunstkommission einzusetzen, die als alle Entscheidungen treffende und ausführende Instanz zu bestimmen wäre. Diese auf spezialistische Zusammensetzung bedachte Einsetzung der Kunstkommission hätte also eine nicht nur beratende Funktion zur Folge. Die Kunstkommission (aus je einem Vertreter des Bauamtes, des Kulturamtes oder des Osthaus-Museums, des Künstlerverbandes, drei unabhängigen Kunstsachverständigen und, wenn es sich um eine architekturbezogene Aufstellung handelt, dem bauleitenden Architekten bestehend) müßte sich durch eine Unabhängigkeit sowohl von den Interessen des örtlichen Künstlerverbandes als auch von den parteipolitischen Interessen auszeichnen, und ihre Auswahl und Auftragsvergabe dürfte nur konzeptionellen, künstlerischen und öffentlichen Ansprüchen gehorchen. Es sollte dabei eine zeitgemäße Konzeption für Kunst im öffentlichen Raum vertreten werden.(35)

Der Einsatz künstlerischer Arbeit kann heute nicht mehr in der Ausübung von Techniken bestehen, die unter Anleitung von Verstandeskategorien die Imagination schematisieren; die künstlerische Arbeit kann auch nicht mehr die Krise der Darstellung durch eine Darstellung des Undarstellbaren oder durch eine Darstellung der Materialität des Materials überwinden.

Der Einsatz künstlerischer Arbeit müßte heute eine Kunst hervorbringen, die Grenzen überschreitet, die ihre eigenen Grenzen öffnet und dadurch erst die Grundlagen schafft für ihre Installation in den öffentlichen Raum. Ein solches Kunstwollen müßte von der Kunstkommission, die Wettbewerbe organisiert und über die Auftragsvergabe für Kunst im öffentlichen Raum entscheidet, vorausgesetzt werden.


[1]  Vgl. N. Tummers, Der Hagener Impuls. Das Werk von J. L. M. Lauweriks und sein Einfluß auf Architektur und Formgebung um 1910, Hagen 1972.

[2]  Vgl. H. Hesse-Frielinghaus, "Folkwang 1. Teil", in: H. Hesse-Frielinghaus u. a. (Hg.), Karl Ernst Osthaus. Leben und Werk, Recklinghausen 1971.

[3]  Vgl. A. Tesch, Die Bildhauerfamilie Cauer, Bad Kreuznach 1977, S. 95.

[4]  Vgl. Hagener Zeitung v. 15. 9. 1902.

[5]  Im Katalog Ethos und Pathos. Die Berliner Bildhauerschule 1786-1914, hrsg. v. P. Bloch, S. Einholz u. J. v. Simson, Berlin 1990, befindet sich auf Seite 330 eine Abbildung, die den Drei-Kaiser-Brunnen von der Rückseite zeigt. Auf dieser Abbildung erkennt man eine nackte, auf ihrer rechten Seite halb liegende und sich mit dem rechten Arm aufstützende weibliche Figur, die sich mit der linken Hand durchs Haar kämmt.

[6]  Vgl. Westfälisches Tageblatt v. 7. 8. 1899 und Hagener Zeitung v. 7. 8. 1899.

[7]  B. Mielsch, "Die historischen Hintergründe der 'Kunst-am-Bau'-Regelung", in: V. Plagemann (Hg.), Kunst im öffentlichen Raum. Anstöße der 80er Jahre, Köln 1989, S. 26.

[8]  Zu den Umständen der Übersiedlung der beiden Künstler nach Hagen vgl. A. Ch. Funk, "Die Bildhauerin Milly Steger in Hagen", in: Hagener Heimatkalender 1970, Hagen 1969, S. 121 und H. Hesse-Frielinghaus (Hg.), Jan Thorn Prikker. Eine Dokumentation zum Leben und Werk des Künstlers in den Jahren 1904-1921, Hagen 1967.

[9]  Vgl. A. Ch. Funk, "Die Bildhauerin Milly Steger in Hagen", a.a.O., S. 121.

[10]  Vgl. H. Hesse-Frielinghaus, "Folkwang 1. Teil", a.a.O., S. 205.

[11]  E. Vetterlein, "Die Figuren am Stadttheater", in: Hagener Zeitung vom 20. 9. 1911. Vgl. dazu auch A. Ch. Funk, "Die Bildhauerin Milly Steger in Hagen", a.a.O., S. 121f.

[12]  Diese Fotografien habe ich im Frühjahr 1992 im Stadtarchiv und im Archiv des Karl Ernst Osthaus-Museums gefunden.

[13]  Vgl. H. Böhme, "Die Hagener Stadthalle", in: Heimatbuch Hagen + Mark. Ha­gener Heimat­kalender 1982, Hagen 1981, S. 13.

[14]  Folgende Fragen ergeben sich heute: Sind die Panther bei der Sprengung der Stadthalle zerstört worden? Oder wurden sie vorher abmontiert und tatsächlich, wie einige Zeitzeugen sich erinnern, zunächst auf einem städtischen Bauhof abgestellt und später aus Platzmangel dort oder anderswo eingegraben?

[15]  Vgl. H. Hesse-Frielinghaus, "Folkwang 1. Teil", a.a.O., S. 204.

[16]  Zu Thorn Prikkers Aufenthalt in Krefeld 1904 bis 1910 vgl. J. Heynen (Hg.), Johan Thorn Prikker. Werke bis 1910, Krefeld 1982.

[17]  Vgl. H. Hesse-Frielinghaus, "Folkwang 1. Teil", a.a.O., S. 204f. Vgl. auch H. Hesse-Frieling­haus (Hg.), Jan Thorn Prikker. Eine Dokumentation zum Leben und Werk des Künstlers in den Jahren 1904-1921, a.a.O., S. 23.

[18]  Vgl. Hagen baut auf. 20 Jahre Entwicklung und Aufbau der Stadt 1945 bis 1964, hrsg. v. d. Stadt Hagen, Hagen 1964, nicht paginiert.

[19]  Vgl. P. Springer (Hg.), Oldenburg. Kunst in der Stadt, Oldenburg 1981, S. 39. Vgl. auch M. v. Assel, Kunst auf Schritt und Tritt in Bochum, Bochum 1992, S. 24.

[20]  Vgl. B. Schwarz, Johannes Schreiter. Das glasbildnerische Werk von 1959 bis 1980, hrsg. v. W. Beeh, Hessisches Landesmuseum Darmstadt, Darmstadt 1987, S. 12.

[21]  Vgl. H. Hesse-Frielinghaus, "Karl Hellwig. Seine Arbeiten für den Raum Hagen", in: Heimat­buch Hagen + Mark. Hagener Heimatkalender 1981, Hagen 1980, S. 86.

[22]  Vgl. Westfalenpost v. 4. 10. 1951.

[23]  H.-P. Schwanke, "Im Spannungsfeld zwischen Dekoration und Kunst: 'Kunst' am Bau der 50er Jahre", in: Denkmalpflege im Rheinland, hrsg. v. Rheinischen Amt für Denkmalpfle­ge/Landschafts­­verband Rheinland, 3, 1991, S. 137.

[24] Vgl. Westfalenpost v. 28. 10. 1969.

[25]  Vgl. Westfalenpost v. 20. 6. 1981.

[26]  Vgl. Westfalenpost v. 24. 6. 1981.

[27]  Vgl. Westfalenpost v. 9. 7. 1981.

[28] Vgl. Westfalenpost v. 11. 7. 1981.

[29]  Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 27. 7. 1981.

[30]  Unveröffentlichtes Manuskript des Künstlers.

[31]  Vgl. Westfälische Rundschau v. 15. 1. 1992.

[32]  Vgl. V. Plagemann, "Kunst außerhalb der Museen", in: ders. (Hg.), Kunst im öffentlichen Raum. Anstöße der 80er Jahre, Köln 1989, S. 14.

[33]  H.-J. Manske, "Wettbewerb oder Direktauftrag?", in: Orte. Kunst für öffentli­che Räume, 1, April 1992, S. 52.

[34]  Vgl. H.-J. Manske, "Das Bremer Modell: Kunst am Bau/Kunst im öffentlichen Raum", in: Kunst und Nutzerbeteiligung. Bericht über ein Kunst am Bau Projekt an der TU Berlin. 1977 bis 1979, hrsg. v. Senator für Bau- und Wohnungswesen, Berlin o. J.

[35]  Vgl. H.-G. Prager, "Ich möchte sehen, daß der Auslober konzeptuelle Vorarbeit geleistet hat. Fragen an Heinz-Günther Prager", in: Orte. Kunst für öffentliche Räume, 1, April 1992, S. 53.