BIRGIT LUXENBURGER
DOROTHEE ROCKE |
Einladung zur Ausstellungseröffnung Neue Arbeiten von
Picasso am 5. Dezember 1997 in der Galerie Hafemann, Wiesbaden. Es spricht
Hans-Peter Porzner.
In Zusammenarbeit mit dem Museum für Moderne Kunst, München.
Rede zur Ausstellung
Birgit Luxenburger und Dorothee Rocke
"Neue Arbeiten von Picasso" in der Galerie Hafemann, Wiesbaden
gehalten am 05.12.1997, 19.00 Uhr
PORZNER: "Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Hafemann, liebe Künstlerinnen!
Dies ist eine Ausstellung des Museums für Moderne Kunst München in
den Räumen der Galerie Hafemann.
Gezeigt werden Arbeiten von Birgit Luxenburger und Dorothee Rocke "Neue
Arbeiten von Picasso"
"Neue Arbeiten von Picasso?" mag sich der erstaunte Betrachter fragen
Briefmarken? Was soll das?
Um diese Frage zu beantworten ist im Vorfeld einiges zum Projekt MfMK zu sagen. Dies ist
ein Ausstellung des MfMK in Zusammenarbeit mit Birgit Luxenburger und Dorothee Rocke. Das
MfMK ist ein imaginäres Museum, das ich 1990 in München gegründet habe.
Freie Erläuterungen zum Projekt MfMK
Um auf diese Ausstellung zurückzukommen: sie muß irgend etwas mit dem Imaginären und
zweitens muß sie etwas mit Malerei und Zeichnung, aus der heutigen Sicht scheinbar eher
etwas mit traditionellen Medien zu tun haben.
Für diese Ausstellung ist eine ganz bestimmte Perspektive des MfMK, die ich einmal
deutlich, einmal weniger deutlich zurückgenommen formuliert habe, besonders wichtig: das
Verhältnis zwischen Kunst und Kunstbetrieb. Es ist eine ganz bestimmte Überzeugung, daß
diese traditionellen Medien nach wie vor die Substanz auch der Kunst in den 90er Jahren
ausmachen. Aber gerade sie scheinen heute das Nachsehen zu haben. Haben diese Künste in
Ansehung der gegenwärtigen Dynamik der Neuen Medien eine Überlebenschance? Von vielen
wird diese Frage verneint. Das schnelle Photo mit drei oder fünf Abzügen scheint zu
dominieren. Die Kunstzeitschriften berichten gegenwärtig fast ausschließlich über
Internet, Video und Photo.
Die Malerei der Neuen Wilden triumphierte als eine Gegenbewegung zur Concept Art in den
70er Jahren: ihr heutiger sich durchtragender Verkaufserfolg besteht nicht darin, die Zeit
nach 1990 zu treffen, sondern darin, die Zeit in ihrem Anspruch in den 80er Jahren
getroffen zu haben. In den 90er Jahren ist ihr Erfolg ein geschichtlich zu begründender.
Wenn wir nicht auf die Stars der 80er Jahre zurückgreifen können, wie müßte eine
Malerei der 90er Jahre ausschauen, die die Sprache der Neuen Medien und das, wofür diese
stehen, zurückdrängt, auflöst, in einen vielleicht synthetischen Zusammenhang bringt,
der zugleich jenseits der Dynamik steht, die diese Positionen dieser Malerei und dieser
Neuen Medien hervorgehen läßt.
Das MfMK ist insofern eine ganz vorläufige Antwort, weil es jenseits der Interessen
dieser Positionen steht. Aber ich bin auch der Auffassung, daß diese in der Perspektive
des Imaginären gefunden werden kann, aber darin nicht mündet. Das Imaginäre muß wieder
den Anknüpfungspunkt an eine reale Ebene finden. Das MfMK ist eine Fluchtlinie aus dem
Streit dieser Positionen heraus, der nur der Untergang der Kunst im Kunstbetrieb sein
kann. Wie aber schaut das Imaginäre und dann die Kunst aus, wo eine Realität einen
tatsächlichen Rückkehrpunkt des Imaginären eröffnet. Die Malerei müßte einen Aspekt
des Imagninären an sich hervorkehren, um dann mit diesem im Rücken sich frei zu
entfalten. Das Bildhafte scheint hier die Verhältnisse leichter zu ermöglichen.
Im gegenwärtigen Augenblick ist das MfMK eine Antwort auf dem Boden der Neuen Medien;
aber insgeheim rechne ich damit, daß die Malerei sich als das langsamere Medium zwar,
aber über einen großen Zeitraum bleibend hinwegsetzt. Das Imaginäre ist nicht in den
Zerriß, der Zeitlichkeit ermöglicht, verstrickt, weshalb diese Formulierung unangemessen
ist. Kennt man heute noch die Zauberer und Scharlatane, die Hexenmeister, die
Talkshowmaster des Mittelalters geblieben ist die über einen langen Zeitrum
entstandene Architektur, die Fresken: Zeit, die sich mit dem Imaginären verbunden hat.
Man könnte die heutige Malerei in den Worten Hölderlins "Malerei in dürftiger
Zeit" nennen: aber wie schaut die Sache in zweihundert Jahren aus? Birgit
Luxenburger, Dorothee Rocke lassen sich nicht blenden vom schnellen Erfolg. Wie lange noch
dauert der Erfolg einer Pipilotti Rist, eines Carsten Höller ist Wolfgang Flatz
nicht bereits auf der Schiene, langsam in Vergessenheit zu geraten? Sind die Zeichnungen
eines Hans Baschang nicht in letzter Instanz, weil sie ein inneres Thema haben,
überzeugender als beispielsweise die spektakulären Lichtorgeln eines Gerhard Merz auf
dem Berliner Alexanderplatz in diesem Jahr, überzeugender als die Haudrauf-,
Schlag-Kaputt-Geste eines Olaf Metzel.
Wie würde sich heute Picasso, das Malergenie verhalten? Birgit Luxenburger und Dorothee
Rocke sind der Auffassung, daß sich Picasso alle ihm zur Verfügung stehenden Medien
angeeignet und in seinem Interesse benutzt hätte. Ich bin anderer Meinung. Picasso hat
zwar photografiert und vielen Bildern liegt ein Photo zugrunde, aber das Photo hatte
niemals eine Eigenwertigkeit. Die veröffentlichten Schwarz-Weiß Fotos in Paris zum
Holocaust hat Picasso zum Schwarz-Weiß Guernicas als ein Symbol des Schreckens
veranlaßt, aber ich glaube nicht, daß er Photos ausgestellt hätte. Er hätte sich nach
Vervielfältigungen seiner Malerei umgeschaut. Er hatte niemals etwas gegen
Reproduktionen. Er würde sich vielleicht heute nach einer Methode der Vervielfältigung
umschauen, die sich nicht auf dem Boden der Malerei ereignet. Vielleicht würde er sich
heute wie 1919/20 Cesar Frank, Walter Gropius, Max Slevogt und Max Pechstein für
Kunstbeiräte interessieren, die Briefmarken herausgeben und entwerfen. Vielleicht würde
er heute einen Heinz Schillinger, einen R. Gerhard höher einschätzen als Jasper Johns,
Gerhard Richter oder Sigmar Polke. Wie sollen wir dies verstehen, wo doch Picasso sich
sowieso nur abfällig geäußert hat? Vielleicht würde Picasso heute einen Blick auf
Briefmarken werfen, die eine Auflage von 100 Millionen haben. Vielleicht würde er mit
diesem Medium im Rücken beginnen, mit den Neuen Medien zu konkurrieren oder
gelassen: diese hinter sich zu lassen: oder: tatsächlich in seinem Sinne gnadenlos
benutzen, mit dem Verhältnis von Kunst und Alltag nicht auf dem Boden der Malerei
konkurrieren, wie es die Pop Art tat, sondern sich auf die Seite eines Mediums schlagen,
das sich zur Malerei nicht konkurrierend verhält wie die Photographie
sondern neutral. Dieses kleine Format der Briefmarke kann es nicht aufnehmen mit der
Malerei, aber das will sie auch gar nicht aber es kann sich mit der Malerei
verbünden.
Kann sich im Horizont dieses Schutzes, die Malerei der 90er Jahre zukunftsweisend neu
formieren? Könnte sich im Spannungsfeld des Projektes MfMK, der Briefmarke und der
Malerei / Zeichnung / Skulptur / Architektur eine Basis aufbauen, eine Plattform, ein
Grund gefunden sein, von woher sich diese Künste erneuern?
Briefmarken werden gesammelt, auch Postkarten, auch Plakate aber die hohen
Auflagen, mit denen große Massen bedient werden, bringt nur die Briefmarke bei. Mit
Picassomotiven gibt es weltweit ca 1.200 Briefmarken. Sie haben insgesamt eine
Gesamtauflage von mehreren Milliarden Briefmarken.
Hans-Peter Porzner (Direktor)